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Weiß-Blauer Alleingang - Das Podewils Lindner Gewehr M1858/67
Dieser Gewehrtyp gehört zwar nicht zu den Zündnadelsystemen, die ja das primäre Thema von meiner Webseite sind, stellt jedoch ein interessantes System dar. Auch in Bayern hatte man sich in diesen Tagen nach einem Hinterladersystem umgesehen und ebenfalls das Zündnadelsystem getestet, das zu diesem Zeitpunkt schon ettliche Jahre der Entwicklung auf dem Buckel hatte. Man testete verschiedenste Systeme und kam am 27. Mai 1865 zu dem Schluß: "Die Commission findet das preussische Zündnadelgewehr jetzt, wie früher, nicht genügend kriegsbrauchbar..." Man blieb zunächst bei den, so guten bayerischen Vorderladern. In dem Krieg 1866 wurden die bayerischen Truppen schmerzlich eines Besseren belehrt. Da dieses System, gegenüber den anderen deutschen Staaten, einen Alleingang darstellte, möchte ich diesem Gewehrtyp auf meiner Seite seinen Platz lassen.
- Hersteller: August Francotte of Liége, umgebaut Gewehrfabrik Amberg
- Baujahr: 1861 (Umbaujahr 1867)
- Hinterlader: Verriegelung - aufgeschnittenes Gewinde, Laufabdichtung - Liderung des Verschlußkopfes und Filzscheibe
- umgebautes Vereinsgewehr (Podewils-Vorderlader).
Zu dem Gewehr sind folgende technische Daten zu vermerken:
- Kaliber: 13,9mm
- Züge: 4 rechts
- Gesamtlänge: 1300mm
- Lauflänge: 900mm
- Masse: 4700g
- runder, gezogener Lauf, Dillenbajonett mit schrägem Gang und Korn als Haft, Systemhülse rund
- Zeiger-Standvisier mit Klappe und zwei Durchsichten, 3 Laufringe aus Stahl mit Haltefedern befestigt
- Eisenbeschläge
Das Gewehr wurde ursprünglich 1861 als Vorderlader M/58/II von August Francotte of Liége, als Teil eines Auftrags von 10000 Stück gebaut und in die bayerische Armee eingeführt. Etwa 1867 wurde es in Amberg zum Hinterlader umgebaut und in M/58/67 II umbenannt.
Wegen der Mobilmachung 1866 war die Münchner Versuchskommission aufgelöst worden und Podewils wurde vom Kriegsministerium beauftragt, in Amberg allein einen neuen Hinterlader-Verschluß für die Gewehre M/58 zu entwickeln und die Serienfertigung vorzubereiten. Dazu kombinierte Podewils, die nach seiner Meinung besten Details damals bekannter Perkussions-Vorderladersysteme. Unter anderem die Schraubenverriegelung mit einem aufgeschnittenen Gewinde, und dem Staubschutzdeckel, die von Edward Lindner stammte. Auf Rechte der Erfinder brauchte er keine Rücksicht zu nehmen, da die Bayerische Regierung, in weiser Voraussicht, schon seit Jahren alle Patentgesuche abgewiesen hatte. Der Konstrukteur Lindner wurde mit dem Taschengeld von 4000 Gulden abgespeist.
Das Perkussionsschloß blieb bei dem Umbau unverändert, bis auf eine kleine Metall-Anfügung im hinteren, oberen Schloßbereich. Dies wurde benötigt, um das Schaftholz, das durch das Ausstechen für das Verschlußsystem sehr dünn geworden ist, nicht mit einer Sollbruchstelle zu versehen. Nachdem man auf das Laufende ein Gewinde aufgeschnitten hatte, wurde das System aufgeschraubt und hart verlötet. Das System besteht aus einem Verschlußgehäuse in dem sich der Verschlußzylinder bewegen und verriegeln läßt. Verriegelt wird das System durch ein aufgeschnittenes Gewinde mit 12 Gängen von denen allerdings nur 10, wegen diverser Aussparungen, verwendet werden. Auf der linken Seite der Systemhülse befindet sich im hinteren Teil eine Schraube die verhindert, daß der Verschlußzylinder im geöffneten Zustand herausfällt. Eine Festlegung des Verschlußzylinders in geschlossener Stellung erforgt nicht, sodaß er jederzeit geöffnet werden kann (auch unabsichtlich) Ein Verlängerungsstift am Abzugsstollen verhindert, daß das Perkussionschloß bei geöffnetem Verschluß abgezogen werden kann, sondern nur bei völlig geschlossenem System.
Auf dem Verschlußzylinder befindet sich vorne ein seperater Verschlußkopf, der konkav ausgehöhlt ist, Damit soll bewirkt werden, daß sich durch den Druck der Pulvergase eine gewisse Liderung ergibt. Als zusätzliche Dichtung befand sich am Boden der Patrone eine Filzscheibe, die beim Schuß nicht vollständig verbrannte und beim Nachladen der nächsten Patrone in den Lauf geschoben wurde. Der Staubschutzdeckel läuft im Verschlußgehäuse rechts und links in einer Führungsleiste. Er soll den Verschluß vor Verschmutzungen schützen, bewirkt aber auch, daß der Schütze vor austretenden Pulvergasen geschützt wird. Er ist nach dem Schießen ensprechend verschmaucht.
Die originale Podewils-Hinterladerpapierpatrone hatte ein, gegenüber dem Vorderlader M/57 etwas vergrößertes Podewilsgeschoß
und eine leicht konische Papierpatrone. Am Boden war das 6mm Zündhütchen eingeklebt, das vor dem Einführen der Patrone
in das Patronenlager auf das Piston gesetzt wurde (was nicht immer auf Anhieb klappte). Das Geschoß war 27,65g schwer, bei einem Durchmesser
von 14,25mm. Die Pulverladung war auf 4,65g festgesetzt.
Von Mitte Mai bis Ende Oktober 1867 dauerte der Umtausch der Vorderlader gegen die umgebauten Hinterlader bei den Regimentern. Am Ende
standen der königlich bayerischen Armee etwas über 110000 zur Verfügung, wobei 15000 Infanteriegewehre des Modells I noch 1867/68
in Amberg neu gefertigt wurden, um die Laufschmiede zu beschäftigen und die Zeughausreserven aufzufüllen.
Der größte Teil der bayerischen Armee zog damit auch in den Krieg gegen Frankreich 1870/71 (der kleinere Teil war mit dem
modernen "Blitzgewehr" Sytem Werder bewaffnet). Ironie der Geschichte: Man befand das Dreysesystem nicht mehr auf der
Höhe der Zeit, führte jedoch ein im Prinzip veraltetes Sytem ein.
Ein bayerischer Soldat mit einem Podewils-Gewehr bewaffnet.
(Zeichnung erstellt und zur Verfügung gestellt von Guy und Leonard A-R West)
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